Klausuren stellen eine besondere Anforderung dar, weil hier die Schüler/innen sachlich und methodisch adäquat zu historischen Fragestellungen Stellung beziehen sollen. Denkt daran, dass ihr hier euch auf einem höheren, d.h. elaborierten Sprachniveau artikulieren sollt!! Aussagen wie: "das haben doch wir im Unterricht besprochen" mögen witzig sein, sind aber nicht zielführend, weil ihr euch vorstellen müsst, für einen anonymen, fachkundigen Leser möglichst klar und systematisch zu schreiben! Ich würde jedem empfehlen: a) in den Richtlinien bzw. Lehrplänen die Aussagen zur Leistungsbewertung und b) auf http://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/abitur-gost/fach.php?fach=12 die Vorgaben, aber auch die Operatoren und Konstruktionsvorgaben zu studieren!
Klausuren können sich eigentlich auf fast jede Textart beziehen, die ihr im Unterricht besprecht, daher ist es wichtig, dass ihr die methodischen Schritte der Interpretation der unterschiedlichen Text- bzw. Materialarten beherrscht.
Dokumente:
Überreste, die im
Prozess der Geschichte hinterlassen wurden, ohne der Nachwelt Botschaften
übermitteln zu wollen.
Beispiele für
schriftliche Dokumente:
Urkunden, Akten,
Inschriften, Briefe, Reden, Flugblätter, Plakate, Denkschriften, Berichte und
Kommentare in Massenmedien, literarische Zeugnisse.
Beispiele für
nichtschriftliche Dokumente:
Bauwerke, Münzen,
darstellende Kunst, Karten, Bilddarstellungen
Monumente:
Nachrichten, die für
die Betrachter geschaffen wurden, sie sind Botschafter für die spätere Zeit.
Beispiele für
sprachliche Monumente:
Chroniken, Viten,
Gedenkschriften, Memoiren, an die Nachwelt gerichtete Gedenk- und
Rechtfertigungsreden
Überschneidungsmöglichkeit
mit wissenschaftlicher Sekundärliteratur: Zuordnung abhängig von der
Funktion: Erschließung einer vergangenen Zeit oder spezifischen Deutung.
Eine weitere WICHTIGE Textform ist die historische Sekundärliteratur: Auf der einen Seite gibt es die WISSENSCHAFTLICHE SEKUNDÄRLITERATUR, die an ein fachwissenschaftliches Publikum gerichtet ist (das erkennt man z.B. an der Verwendung vieler Fachtermini, einer komplexen Grammatik etc.). Sie setzt meist schon Kenntnisse und Methodik des Faches voraus. In der Schule werden wir hier insbesondere Texte von Historikern ( hoffentlich von H.U. Wehler, H.A. Winkler und weiteren) finden. Auf der anderen Seite steht die NICHT-WISSENSCHAFTLICHE SEKUNDÄRLITERATUR, die sich an ein breites Publikum richtet, das sich überwiegend aus Laien (=weniger Kundigen) zusammensetzt. Hier werden in vereinfachter Form häufig historische Situationen aufbereitet ( siehe z.B. die Bücher von Guido Knopp). Die Klausuren sind natürlich nur Vorschläge und wer Korrekturen oder Verbesserungsvorschläge hat, ist herzlich eingeladen, mir diese zu kommunizieren! Ich wäre wirklich dankbar! Es dürfte sicher wichtig sein, dass die Klausur aus dem Unterricht hervorgeht und daher werden die enstcheidenden Aspekte sowohl im Bereich der Materialien (Ob Dokument, Monument, Karikatur etc.) als auch des historischen Kontextes im Unterricht angesprochen.
Aus einer Rede des Abgeordneten der
Nationalversammlung
Banarve vom 15.07.1791: " ... und ich sage: heute ist jede Veränderung
verhängnisvoll, heute ist jede Fortsetzung der Revolution unheilvoll. Ich
stelle eine Frage, die von nationalem Interesse ist: Werden wir die Revolution beenden
oder werden wir sie von neuem beginnen? Wenn Ihr einmal der Verfassung
mißtraut, wo wird der Punkt sein, an dem ihr dann einhalten werdet, und vor
allem, wo werden Eure Nachfolger einhalten? ...
... Denken Sie daran, meine Herren, denken Sie immer daran,
was nach Ihnen geschehen wird! Ihr habt getan, was gut war für die Freiheit und
die Gleichheit; keine willkürliche Gewalt ist verschont worden, keine Anmaßung
der Eigenliebe, keine widerrechtliche Besitzergreifung von Eigentum ist
ungestraft geblieben; Ihr habt alle Menschen
vor dem Gesetz gleichgemacht, Ihr habt dem Staat wiedergegeben, was ihm
genommen wurde: daraus ergibt sich diese große Wahrheit, daß, wenn die
Revolution noch einen Schritt weitergeht, sie dies nicht ohne Gefahr tun kann;
daß auf der Linie der Freiheit die erste Handlung, die noch folgen könnte, die
Vernichtung des Königtums wäre; und daß auf der Linie der Gleichheit die erste
Handlung, die noch folgen könnte, der Angriff auf das Eigentum wäre (Beifall) .
Ich
frage all jene, die mich verstehen, all jene, die wie ich meinen daß, wenn die
Unruhen wieder beginnen, wenn die Nation noch weitere große Erschütterungen zu
erleiden hat, wenn große Ereignisse folgen werden oder auch nur zu befürchten
sind, wenn alles, was das Volk in Unruhe versetzt, ihm allmählich zur
Selbstverständlichkeit wird, wenn der Einfluß des Volkes sich weiterhin in den
politischen Ereignissen geltend macht; ich frage all jene, sage ich, die
wissen, daß, wenn die Dinge so verlaufen, die Revolution nicht beendet ist; ich
frage Sie: Gibt es noch eine andere Aristokratie zu zerstören als die des
Eigentums?
Es ist also jetzt wahrlich an der Zeit, die Revolution zu
beenden; sie erhält also erst heute ihren eigentlichen großen Charakter; es ist
also an dem, daß die Revolution den Augen Europas und der Nachwelt als etwas
gelten wird, das entweder für die französische Nation oder für einige
Individuen gemacht worden ist; wurde sie für die Nation gemacht, dann muß sie
in dem Augenblick anhalten, da die Nation frei ist, da alle Franzosen gleich
sind; setzt sie die Unruhe jedoch fort, dann ist sie nur noch der Nutzen
einiger Männer, dann ist sie entehrt, dann sind auch wir entehrt.
Heute, meine Herren, muß jedermann erkennen, daß es im
Interesse der Allgemeinheit liegt, daß die Revolution einhält: diejenigen, die
verloren haben, müssen einsehen, daß es unmöglich ist, sie rückgängig zu machen
und daß es nur noch darum gehen kann, sie zu domestizieren.
Entnommen: P.
Fischer (Hrsg.), Reden der französischen Revolution, München 1974, S. 136f.
Aufgaben:
1. Arbeiten
Sie die wesentlichen Grundgedanken Barnaves heraus und charakterisieren Sie
seine politische Position!
2.
Vergleichen Sie die Argumentation Barnaves mit der Position der SPD in
der Revolution 1918 in Deutschland, ermitteln Sie Gemeinsamkeiten und
Unterschiede!
3. Diskutieren Sie die
Möglichkeiten und Probleme dieses historischen Vergleichs!
Was man von Schülern/innen zu diesen Fragestellungen sinnreich erwarten darf, hängt natürlich vom Unterricht ab. Hier ein Vorschlag:
Aufgabe 1
In der Aufgabe 1 sollen die
Schüler/innen in einem ersten Schritt im Rahmen einer Textanalyse die äußeren Merkmale der Quelle
bestimmen. Neben der Quellenart
( > öffentliche Rede ) ist die
Person des Redners ( Abgeordneter 1791, also Mitglied der verfassungsgebenden
Nationalversammlung [ Assemblée
Nationale Constituante ] ) hervorzuheben.
In einem weiteren Schritt erfolgt dann
eine kurze Textwiedergabe, die die wesentlichen Grundgedanken der Quelle
zusammenfassen soll. Die Rede Barnaves enthält folgende wesentliche
Grundgedanken:
Þ
„jede
weitere Fortsetzung der Revolution ist unheilvoll“
Þ
er
warnt vor Misstrauen gegen die neue Verfassung, da dann ein (selbst-)
zerstörerischer Prozess einsetzen könnte,
Þ
er
hebt im weiteren Verlauf der Rede die Errungenschaften der Revolution hervor
(Z. 9 – 14), die den jetzigen Stand der Verfassung als ideal erscheinen lassen,
Þ
er
zieht daraus den Schluß, dass ein Fortsetzen der Revolution zu folgenden
weiteren „unliebsamen“ Konsequenzen führen könnte,
-
Vernichtung des Königtums unter dem Schlagwort Freiheit,
- Angriff
auf das Eigentum unter dem Schlagwort Gleichheit,
Þ
er
warnt vor weiteren Unruhen und Erschütterungen, die das Volk zu weitergehenden
Forderungen verleiten , die nur zu einer Zerstörung des Eigentums führen
können,
Þ
daher
muss man die Revolution beenden, „da die Nation frei ist, alle Franzosen gleich
sind“ (Z. 34f.),
Þ
es
ist im Interesse der Allgemeinheit, dass die Revolution beendet wird.
Barnave ist damit unter Bezug auf die
Unterrichtsergebnisse des Kurshalbjahres 12.1 dem eher konservativen Lager
zuzuordnen, das den Entwurf der Verfassung der konstitutionellen Monarchie, der
dann am 03.09.1791 in Kraft treten sollte, beibehalten wollte. Die Verfassung
von 1791 entsprach dabei primär den Interessen einer eher kleinen
gesellschaftlichen Schicht, die durch das Zensuswahlrecht eine breitere
Partizipation (u.a. auch der Frauen) verhindern wollte.
Bei der Einordnung in den historischen
Hintergrund ist darauf zu verweisen, dass die Rede in einer krisenhaften
Situation gehalten wurde, da die versuchte Flucht des Königs (21.06.1971) den
radikalen Kräften Auftrieb gab. Barnave fürchtet offensichtlich, dass die
Radikalisierung der Revolution durch das Volk
(„Sansculotten“) zu einer
unkontrollierten Entwicklung führt.
Allgemein sollte die Rede – zumindest
im Rahmen des Drei-Phasen-Modells der französischen Revolution – in die 1.Phase
eingeordnet werden. Im weiteren Verlauf der Revolution folgt dann die
„Schreckensherrschaft“ der Jakobiner, (1793/94), deren Herrschaft sich auf die
städtische Unterschicht bzw. die Sansculotten stützt. Als dritte Phase ist das
Direktorat zu nennen, das seine Herrschaft eher auf das Großbürgertum stützt.
Es ist darauf zu verweisen, dass Barnaves Befürchtungen weitgehend eintreten.
Die Aufgabenstellung bezieht sich
damit auf den AFB I (insbesondere im Bereich der historischen Einordnung) und
den AFB II (Anwendung bzw. Methodik der Quelleninterpretation).
Aufgabe 2
Im Bereich der Aufgabe 2 sind die Schüler/innen gefordert, die
Argumentation Barnaves auf einen anderen historischen Kontext zu übertragen und
auf ihre historische Vergleichbarkeit zu untersuchen.
Die Aufgabenstellung bezieht sich auf
die politischen Weichenstellungen 1918/1919 und im Besonderen auf die Position
der SPD, die im Kurshalbjahr 12.2 im Rahmen der Sequenz „Weimarer Republik –
ein zum Scheitern verurteiltes Experiment?“ behandelt wurde.
Die Schüler/innen sollen in diesem
Zusammenhang die Position der SPD kurz referieren. Folgende Aspekte erscheinen
hier möglich:
Þ
die
SPD strebt schon relativ früh eine Kanalisierung der Revolution an (Z.B.
Ausrufung der Republik durch Scheidemann
„Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das ist das, was wir jetzt brauchen!
[...]“ )
Þ
die
Bürokratie und Staatsverwaltung bleiben weitgehend unverändert,
Þ
es
kommt zu einem Bündnis der SPD mit den herrschenden Eliten
(„Ebert-Groener-Bündnis“), das bereits entscheidende Vorentscheidungen über die
zukünftige Politik vorwegnimmt.
Insgesamt sollte konstatiert werden,
dass auch die SPD - wie Barnave - an einem schnellen Beenden der Revolution
interessiert ist, wobei die Motive jedoch divergieren.
Im Rahmen der historischen Einordnung
ist jedoch auf die konkrete Nachkriegssituation zu verweisen, die eine
Konsolidierung der politischen und vor allem auch wirtschaftlichen Lage nahe
legte. Die radikalen Kräfte waren 1918/19, wie die Wahlen zu den Arbeiter- und
Soldatenräten zeigen, in der Minderheit., so dass der Schluss nahe liegt, die
Bevölkerung, bzw. die Allgemeinheit war nicht an radikalen politischen Lösungen
interessiert. Weiterhin ist eine weitreichende Partizipation gesellschaftlicher
Kräfte an der politischen Meinungsbildung gewährleistet (insb. auch: Einführung
des Frauenwahlrechts).
Die weitere Entwicklung der Weimarer
Republik legt jedoch nahe, dass insbesondere die personellen Kontinuitäten im
Bereich der Verwaltung, insbesondere der Justiz, gravierende Folgen hatten, die
sich dann in der politischen Krise 1930-33 niederschlugen.
Einschränkend
sollte angemerkt werden, dass ist die historische Vergleichbarkeit aufgrund der
besondern historischen Ausgangslage problematisiert werden muss.
Die
Aufgabenstellung fordert Leistungen im Bereich des AFB I (historische
Kenntnisse), aber auch in besonderer Weise des AFB II (Reorganisation des
gelernten Wissens).
Aufgabe
3
Die
Schüler/innen sollen in diesem Zusammenhang auf die methodischen und
inhaltlichen Aspekte einer historischen Komparatistik abheben. Hier sollten
insbesondere die unterschiedlichen
Ausgangsbedingungen bzw. die divergenten Aspekte der beiden historischen
Konstellationen genannt werden.
Unter
anderem besteht hier einerseits die Möglichkeit, dass die Schüler/innen die
Entwicklung in der 2.Phase der
französischen Revolution als potenzielle Entscheidungsbasis der SPD herausstellen
bzw. als historische Grunderfahrung („terreur“, „Revolutionstribunale“ und
Radikalisierung“ > Furcht vor einer Radikalisierung) diskutieren. Damit wird
u.U. ein kritisches Verständnis der Position der SPD nach 1918 möglich.
Von diesem
Standpunkt aus eröffnet sich die Chance, die Entscheidungen der historischen
handelnden Personen multiperspektivisch zu betrachten.
Andererseits
ist auf die Problematik der unterschiedlichen sozialen, politischen ökonomischen und kulturellen Ausgangsbedingungen
zu verweisen. Insbesondere wäre in diesem Kontext beispielsweise auf die
Trägerschichten der Revolutionen sowie beispielsweise den Krieg als Bedingung
hinzuweisen.
Der
historische Vergleich ist im Rahmen des Unterrichts insbesondere im Kontext der
Diskussion eines “deutschen Sonderweges“ thematisiert worden, so dass die
kritische Reflexion der Vergleichsmaßstäbe sowie der Gütekriterien (in
Anlehnung an die Definitionen der Herrschaft von Max Weber) erwartet werden
darf. (Die Aufgabe entspricht in besonderer Weise dem AFB III)
Bewertung Die Leistungsnote „ausreichend“ kann erteilt werden, wenn
Þ
im
methodischen Bereich die Arbeitsschritte der Quellenanalyse und – interpretation weitgehend sachgerecht
angewandt werden,
Þ
im
inhaltlichen Bereich die wesentlichen Aussagen der Quelle erkannt und
dargestellt werden, die historischen Kontexte in groben Zügen entwickelt werden
und Ansätze einer geschichtstheoretischen Reflexion vorhanden sind.
Die Leistungsnote „gut“ kann erteilt werden, wenn
Þ
im
methodischen Bereich eine sachgerechte und detaillierte Analyse und
Interpretation der Quelle vorgenommen wird;
Þ
die
historischen Kontexte sachgerecht und schlüssig dargestellt werden,
Þ
eine
fundierte kritische Reflexion bzw. Problematisierung der Vergleichskriterien
vorgenommen wird. Ist das nachvollziehbar??????
Beispielklausur Revolution 1848/49
Gerade
im Rahmen der Revolution 1848/49 treten Karikaturen als Quelle der
historischen Erkenntnis besonders in den Mittelpunkt. Daher soll in
dieser Klausur die Interpretation eines nicht-sprachlichen Dokuments
geübt werden. Ich bin mir nicht sicher, ob hier nicht zu viele
ergänzende Informationen in den Fußnoten gegeben werden, meinen
Schülern/innen haben die Infos geholfen.
Ein erstes Beispiel für eine Klausur, die in den Bereich des "langen 19.Jahrhunderts, insbesondere das Deutsche Kaiserreich ab 1871, gehört, stelle ich abrufbar bereit. Ein Schwerpunkt des Unterrichts war und ist die Untersuchung von Herrschaft und Herrschaftstypen in der Geschichte, die von Max Weber wunderbar erklärt werden!
Eine Klausur zum wichtigen Thema des politischen Selbstbewußseins der Liberalen 1866 ist hier zu finden. Dieser Aspekt scheint mir insbesondere für den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte bedeutsam zu sein, weil sich hier die Unterwerfung des deutschen Bürgertums unter eine "charismatische" (siehe oben) Persönlichkeit (hier: Bismarck, später ...) spiegelt:
Beispielklausur zum Thema "Industrialisierung und Soziale Frage"
Carl Ferdinand
Freiherr von Stumm-Halberg1:
Das System “Stumm” (1889): “(...) Das Aufhören der Autorität der Arbeitgeber (...) erscheint
mir um so gefährlicher, als es sich auf die Dauer nicht auf
diejenigen Stände beschränken wird, um die es sich hier zunächst
handelt. Hat der Arbeiter einmal die Autorität des Arbeitgebers über
den Haufen geworfen, unterwirft er sich ihr nicht mehr, lacht er ihn
einfach aus, wenn er ihn strafen will, (...) dann wird die Autorität
auf anderen Gebieten, in Staat und Kirche sehr bald folgen. (...)
Geschieht das aber, wird die Autorität auf der ganzen Linie, in
allen Erwerbszweigen zerstört, (...) dann wird da, wo die Autorität
am nötigsten ist, in der Armee, es auch nicht lange dauern, bis sie
angefressen ist. (...) Ich für meine Person würde keinen
Augenblick länger an Eurer Spitze aushalten, wenn ich an die Stelle
meines persönlichen Verhältnisses zu jedem von Euch das Paktieren2
mit einer Arbeiterorganisation unter fremder Führung setzen müßte.
(...) Ein solches Verhältnis wie zu einer fremden Macht würden mir
schon mein sittliches Pflichtgefühl und meine christliche
Überzeugung verbieten. (...) Sollte dies jemals anders und ich in
der Tat verhindert werden, den Arbeiter auch in seinem Verhalten
außer dem Betriebe zu überwachen und zu rektifizieren3,
so würde ich keinen Tag länger mehr an der Spitze der Geschäfte
bleiben, weil ich dann nicht mehr imstande sein werde, die sittlichen
Pflichten zu erfüllen, welche mir mein Gewissen vor Gott und meinen
Mitmenschen vorschreibt. Ein Arbeitgeber, dem es gleichgültig ist,
wie seine Arbeiter sich außerhalb des Betriebes aufführen, verletzt
meines Erachtens seine wichtigsten Pflichten. (...) Auf diese
Weise hoffe ich, weit über meine eigenen Lebenstage dafür zu
sorgen, daß Ihr für die Lockungen der Sozialdemokraten und anderen
falschen Propheten unempfänglich bleibt, das ist die beste
Wohlfahrtseinrichtung. (...) Ein wesentliches Kampfmittel, durch
welches der wissenschaftliche und pseudochristliche Sozialismus die
Sozialdemokratie unterstützt, ist die Legende von der Existenz eines
vierten Standes, welcher sich ganz allgemein gegen das Kapital
schützen müsse. Daß der Lohnarbeiter durch staatliche Maßregeln
vor immerhin möglichen Ausbeutungen geschützt werden müsse, ist
von niemandem lebhafter anerkannt worden als von mir. (...) Diese
Tendenz, Euch zu einem vierten Stande zu degradieren, ist geradezu
eine Beleidigung des gesamten Arbeiterstandes.”
Paul Göhre4,
Drei Monate Fabrikarbeiter (1891): “(...) Hier
prägt sich auch dem Harmlosen klipp und klar der ganze Charakter
dieser wie wohl fast aller bestehenden Fabrikordnungen aus. Sie ist
deutlich das Produkt der Fabrikleitung, zugeschnitten nach den allein
maßgebenden Gesichtspunkten ihrer einseitigen Interessen. Sie ist
eine Hausordnung, die der Eigentümer allein nach seinem Willen
erläßt und der sich jeder zu fügen hat, solange er als Glied dem
Hause angehört. Es gibt für die Arbeiter gegen solche
Arbeitsordnungen keinen anderen wirksamen Protest als den des
Austritts aus dem Verband, dem sie Gesetz ist. Ihr Dasein und ihre
Gültigkeit bezeichnet in allen Fällen von Bedeutung die vollkommene
schweigende Abhängigkeit aller Arbeiter; sie ist der Ausdruck eines
absolutistischen Systems, das gerade Gegenteil von wirtschaftlicher
Freiheit, die doch das heute herrschende Gesetz im Wirtschaftsleben
der Völker sein soll; sie ist eine neue und folgenschwere Ursache
der Unselbständigkeit und Unreife des Charakters der heutigen
Fabrikarbeiter. (...)“ Beide
Texte zitiert nach: Ernst Schraepler (Hrsg.): Quellen zur Geschichte
der sozialen Frage in Deutschland. Bd. II: 1871 bis zur Gegenwart.
Göttingen — Berlin —Frankfurt/M.2 1964, S. 100ff und S. 46ff
Arbeitsaufträge:
1. Arbeiten Sie auf der Grundlage
einer Textanalyse heraus, welche Auffassungen die Autoren v.
Stumm-Halberg und Göhre jeweils zum Verhältnis Arbeitnehmer und
Arbeitgeber haben.
2. Skizzieren Sie kurz die
wesentliche Gründe, die in Deutschland zur Entstehung der
Arbeiterschaft geführt haben und ordnen Sie den Standpunkt v.
Stumm-Halbergs in das Spektrum weiterer Antworten auf die „soziale
Frage“ ein.
3. Diskutieren Sie die These, dass
insbesondere die Maßnahmen der Unternehmer und des Staates als
„defensive Modernisierung“ zu interpretieren sind!
Verweise: 1
Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg (1836— 1901),
Industrieller und Politiker, führendes Mitglied der
Freikonservativen Partei, Mitglied des Reichstags, seit 1882 auch
Mitglied des Preußischen Herrenhauses
2
sich solidarisieren; sich mit jemandem verbünden
3
rektifizieren: zurechtweisen, zum richtigen Verhalten veranlassen
4
Paul Göhre (1864— 1928), evangelischer Theologe und
Sozialpolitiker, Mitbegründer des Nationalsozialen Vereins, seit
1900 Mitglied der SPD, später Mitglied des Reichstags
Klausur zum Thema IMPERIALISMUS - deutsche Kolonialfrage
Rede von
Wilhelm Liebknecht (SPD) vor dem Reichstag 1885:
„Was wird mit der so genannten Kolonialpolitik denn eigentlich
bezweckt? Wenn wir dem auf den Grund gehen, so wird als der Zweck hingestellt:
Überproduktion und (...) (...)
Übervölkerung zu bekämpfen. (...) Deutschland ist noch lange nicht überbevölkert,
bei vernünftiger sozialer Organisation, bei zweckmässiger Organisation der
Industriearbeit und bei wissenschaftlichem Betriebe des Ackerbaues könnte Deutschland
eine weit grössere Bevölkerung ernähren, als dies heutzutage der Fall ist
(...). Und gerade so ist es mit der Überproduktion. Da klagen unsere Fabrikanten,
dass ihre Produkte keinen Absatz finden. Ja, meine Herren, warum haben sie keinen
Absatz? Weil das Volk nicht kaufen kann, – abermals eine Folge unserer
mangelhaften sozialen Verhältnisse; wenn die Sozialreform (...) an der richtigen
Stelle ansetzen will, dann muss sie dafür sorgen, dass (...) der Nationalreichtum
(...) seine richtige Verteilung findet. (...) Und wird etwa durch die Kolonialpolitik
etwas nach dieser Richtung erreicht? Nein, meine Herren. Sie exportieren
einfach die soziale Frage. Sie zaubern vor die Augen des Volkes eine Art Fata
Morgana auf dem Sande und auf den Sümpfen Afrikas“[1]
.
Arbeitsaufträge:
1.
Arbeiten Sie
den Gedankengang Liebknechts heraus und stellen heraus, wie Liebknecht bzw. die
SPD zur Kolonialpolitik des Deutschen Reiches steht!
2.
Ordnen Sie
die Quelle in ihren historischen Kontext ein, indem Sie die Entwicklung des
deutschen Imperialismus beschreiben!
3.
Diskutieren
Sie erstens die Thesen Liebknechts vor dem Hintergrund der Motive der deutschen
Kolonialisten! Der Imperialismus wird als eine Ursache des Ersten Weltkrieges
betrachtet. Erläutern Sie zweitens diesen Ansatz und benennen Sie weitere
Ursachen!
Viel Erfolg!
[1]
Kolb Eberhard (2002) in: Zeitreise 3. Ernst Klett Schulbuchverlage. Stuttgart /
Leipzig, 2006, Seite 41.
Ein möglicher Erwartungshorizont ist hier zu finden:
Der "Erste Weltkrieg" oder wie es in Frankreich bis heute heißt "la grande guerre" stellt nach George F. Kennan die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" dar ( https://de.wikipedia.org/wiki/Urkatastrophe_des_20._Jahrhunderts Darum ist es bedeutsam - auch angesichts der heutigen globalen Konstellation - sich mit den Ursachen dieser "Urkatastrophe" zu beschäftigen. Die folgende Klausur soll dazu einen Beitrag liefern, wobei sie nicht nur einen Anstoß geben soll, über die Ursachen nachzudenken, sondern auch über das Bewußtsein der Menschen.
Karl
Liebknecht: Ablehnung der Kriegskredite (2. Dezember 1914)
Genosse Liebknecht hat zur
Begründung seiner verneinenden Abstimmung (als einziger Abgeordneter des
Reichstages - auch der SPD) in der Reichstagssitzung vom 2. dieses Monats dem
Reichstagspräsidenten zur Aufnahme in den stenographischen Bericht gemäß § 59
der Geschäftsordnung folgendes überreicht:
Meine Abstimmung zur heutigen
Vorlage begründe ich wie folgt: Dieser Krieg, den
keines der beteiligten Völker
selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen
oder eines anderen Volkes
entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen
Krieg, einen Krieg um die
kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um
die politische Beherrschung
wichtiger Siedelungsgebiete für das Industrie- und
Bankkapital. Es handelt sich vom
Gesichtspunkt des Wettrüstens um einen von der
deutschen und österreichischen
Kriegspartei gemeinsam im Dunkel des Halbabsolutismus
und der Geheimdiplomatie hervorgerufenen
Präventivkrieg. Es handelt sich
um ein bonapartistisches[1]
Unternehmen zur Demoralisierung und Zertrümmerung der
anschwellenden Arbeiterbewegung.
Das haben die verflossenen Monate trotz einer
rücksichtslosen Verwirrungsregie
mit steigender Deutlichkeit gelehrt.
Die deutsche Parole „Gegen den
Zarismus“ diente – ähnlich der jetzigen englischen
und französischen Parole „Gegen den
Militarismus“ – dem Zweck, die edelsten Instinkte,
die revolutionären Überlieferungen
und Hoffnungen des Volkes für den Völkerhass
zu mobilisieren. Deutschland, der
Mitschuldige des Zarismus, das Muster
politischer Rückständigkeit bis zum
heutigen Tage, hat keinen Beruf zum Völkerbefreier.
Die Befreiung des russischen wie
des deutschen Volkes muss deren eigenes
Werk sein.
Der Krieg ist kein deutscher
Verteidigungskrieg. Sein geschichtlicher Charakter und
bisheriger Verlauf verbieten, einer
kapitalistischen Regierung zu vertrauen, dass der
Zweck, für den sie die Kräfte
fordert, die Verteidigung des Vaterlandes ist.
Ein schleuniger[2], für
keinen Teil demütigender Friede, ein Friede ohne Eroberungen,
ist zu fordern; alle Bemühungen
dafür sind zu begrüßen. Nur die gleichzeitige
dauernde Stärkung der auf einen
solchen Frieden gerichteten Strömungen in allen
kriegführenden Staaten kann dem
blutigen Gemetzel vor der völligen Erschöpfung
aller beteiligten Völker Einhalt
gebieten. Nur ein auf dem Boden der internationalen
Solidarität der Arbeiterklasse und
der Freiheit aller Völker erwachsener Friede kann
ein gesicherter sein. So gilt es
für das Proletariat aller Länder, auch heute im Kriege
gemeinsame sozialistische Arbeit
für den Frieden zu leisten.
Die Notstandskredite bewillige ich
in der verlangten Höhe, die mir bei weitem nicht
genügt. Nicht minder stimme ich
allem zu, was das harte Los unserer Brüder im Felde,
der Verwundeten und Kranken, denen
mein unbegrenztes Mitleid gehört, irgend
finden kann; auch hier geht mir
keine Forderung weit genug. Unter Protest jedoch
gegen den Krieg, seine
Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische
Politik, die ihn heraufbeschwor,
gegen die kapitalistischen Ziele, die er verfolgt, gegen
die Annexionspläne, gegen den Bruch
der belgischen und luxemburgischen
Neutralität, gegen die
Militärdiktatur, gegen die soziale und politische Pflichtvergessenheit, deren
sich die Regierung und die herrschenden Klassen auch heute noch
schuldig machen, lehne ich die
geforderten Kriegskredite ab.
Berlin, den 2. Dezember 1914.
(gez.) Karl Liebknecht
Der (Reichstags-) Präsident hat die Aufnahme dieser
Begründung in den stenographischen Bericht abgelehnt, weil in ihr Äußerungen
enthalten seien, „die, wenn sie im Hause gemacht wären, Ordnungsrufe[3] nach
sich gezogen haben würden“.
Quelle/
Internetquelle: www.infoladen-wiesbaden.de/index.php?option=com...79...
Arbeitsaufträge:
1.
Arbeiten Sie die Position und Argumentation
Liebknechts auf der Grundlage einer Textanalyse heraus
2.
und ordnen Sie diese Rede in den historischen
Kontext ein, indem Sie Ursachen und Verlauf des Krieges unter Bezug auf die
Rede beschreiben!
3.
Diskutieren Sie die These Liebknechts, es habe
sich nicht um einen „deutschen Verteidigungskrieg“ (Z.24) gehandelt!
[1]
Nach marxistischer Lesart ist für den
Bonapartismus kennzeichnend, dass er dem Bürgertum die Freisetzung
der Wirtschaftskräfte gegen eine
zusehends erstarkende Industriearbeiterschaft sicherte, jenem
aber die eigentliche politische Macht vorenthielt, die in der Hand des
bonapartistischen Staatsmannes konzentriert blieb.
[2]
schneller
[3]
Sanktionen = Bestrafung
Eine Klausur zum Ende des Ersten Weltkriegs und zur Einstellung der konservativen Eliten des Kaiserreichs (hier Offizierscorps) ist hier einzusehen:
Eine (mögliche) Klausur zum Thema "Scheitern der Weimarer Republik" folgt hier: Um die Verfassung(
Vossische Zeitung Nr. 38 vom 11. August 1932; Auszug): "In der äußeren und
seelischen Erschütterung unserer Tage bringen nicht allzu viele Deutsche die
rechte Stimmung für eine Verfassungsfeier auf. Manche feiern in diesem Jahr die
Verfassung wie den letzten Geburtstag eines dem Tode geweihten
Familienmitglieds. Andere, die seit zwölf Jahren sich nicht genug tun konnten,
auf die offenbaren Mängel und Schwächen dieser Verfassung hinzuweisen,
behandeln sie heute schon als endgültig überwunden und vergessen in ihrer
Freude zuweilen, daß der entscheidende Bruch mit der Verfassung denn doch noch
nicht vollzogen ist.
Das Werk von Weimar beruht auf
der idealistischen Auffassung, daß in Deutschland immer eine Mehrheit
vernünftiger Wähler und Volksvertreter da sei, denen es darum zu tun ist, eine
Regierungsarbeit mitverantwortlich zu unterstützen. Es ist anders gekommen. Der
Engländer wählt eine arbeitsfähige Parlamentsmehrheit, der Deutsche, dieser
ewige "Protestant", wählt, um seine augenblickliche politische
Überzeugung kundzutun, die in der Regel aus Verärgerung besteht, zum Beispiel
darüber, daß sein früher gewählter Kandidat inzwischen in der oder jener
Spezialfrage eine andere Auffassung vertreten hat. Trotzdem hat die Aera Brüning
bewiesen, daß die geltende Verfassung den wechselnden Erfordernissen auch
stürmischer Zeiten gerecht werden kann.[...]
Für unruhige Notzeiten braucht
jede Verfassung ein Ventil, das den treibenden Kräften andere Wege weist, und
ein Organ der Ruhe und Stabilität. Wenn wir nach diesen Gesichtspunkten die
geltende Verfassung prüfen, so wird sie in größerem Maße ewigen Grundsätzen
gerecht, als der Parteienstreit wahrhaben will. Die Rufer im Kampf gegen das
System kommen an der Notwendigkeit irgendeines eigenen Systems nicht vorbei.
[...]
Seit dem Ende der Aera Brüning
ist der Glaube an die Haltbarkeit der Verfassung zweifellos durch mancherlei
Vorkommnisse geschwächt worden. Da die Öffentlichkeit sich zum größeren Teil
über die wirklichen Gründe unserer katastrophalen Wirtschaftslage im unklaren
befindet, ist es nicht verwunderlich, daß sich manche von einer Veränderung der
staatsrechtlichen Ordnung rasche Besserung erhoffen. Innerhalb der
nationalsozialistischen Bewegung gibt es zweifellos revolutionäre Elemente. Die
Terrorakte, die sich in verstärktem Maße seit der Wahlnacht unter Verhöhnung
des verordneten Burgfriedens durch das Reich hinziehen, sind zum Teil durch
organisierte Nationalsozialisten verursacht. Hitler ist kein Revolutionär. Er
glaubt an die Machtergreifung durch den Stimmzettel. Aber die aufgepeitschten
Gefühle jugendlicher Anhänger und sonstiger tatenfroher Elemente möchten den
legalen Weg abkürzen, nehmen ihn wohl auch nur als Tarnung der eigenen Ziele,
und wenn einmal für den Fall des Losschlagens Kampftrupps gebildet sind, muß
eine Enttäuschung über die Langsamkeit des verfassungsmäßigen Weges, über die
Nichterreichung der notwendigen 51 v. H. (zu Verfassungsänderungen würden es
sogar 67 v. H. sein müssen) die Disziplin der Führung gegenüber lockern. Wer
will denn in Wirklichkeit kontrollieren können, was sich in Millionen erregter
Anhänger für Gedanken und Entschlüsse bilden! [...]
(Zitiert nach : H.
Michaelis E. Scharender (Hg.) Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch
1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart.
Band 7, Berlin o.J., S. 128 ff.)
Arbeitsaufgaben: 1. Fassen Sie
die wesentlichen Aussagen des Textes zusammen und arbeiten Sie die Position von
G. Treviranus gegenüber der Weimarer Verfassung heraus.
2. Skizzieren
Sie im Rahmen einer historischen Einordnung die politischen, wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Verhältnisse, auf die Treviranus abhebt, wenn er
einleitend „von der Erschütterung unserer Tage“ spricht !
3. Diskutieren
Sie den Standpunkt des Autors auf dem Hintergrund der weiteren politischen
Entwicklung !
(1)Treviranus, Gottfried Reinhold (1891 – 1971),
deutscher Politiker, 1924 – 1932 Mitglied des Reichstags, bis 1929 DNVP, in den
Reichsregierungen 1930 – 1932 unter Brüning Minister in verschiedenen Ressorts. Emigration nach Hitlers
Machtergreifung, Rückkehr nach Deutschland 1949
Ein möglicher Erwartungshorizont für diese Klausur wäre:
Aufgabe 1
In der Aufgabe 1 sollen
die Schüler/innen in einem ersten Schritt im Rahmen einer Textanalyse die
äußeren Merkmale der Quelle bestimmen. Neben der Quellenart ( schriftliches DOKUMENT > öffentliche Erklärung >
Zeitungsartikel ) ist Gottfried Reinhold Treviranus als Verfasser
herauszustellen. Er war Minister in der
Regierung Brüning, seit 1924 Mitglied des Reichstages und gehörte bis 1929 der
DNVP an. Auf der Grundlage dieser Daten ist der Schluss naheliegend, dass
Treviranus der Republik zumindest loyal gegenüberstand.
In einem weiteren Schritt erfolgt dann eine kurze Textwiedergabe, die
die wesentlichen Gedanken der Quelle zusammenfassen soll.
Hier sind folgende Aussagen als wesentlich einzustufen:
Þ
Der Verfasser kritisiert die Reichsverfassung
wegen ihrer „idealistischen Auffassung, dass in Deutschland immer eine Mehrheit
vernünftiger Wähler und Volksvertreter da sei“, und spielt damit auf die
plebiszitären Elemente und die instabilen Mehrheitsverhältnisse im Parlament
an.
Þ
Andererseits
ist die Verfassung für Treviranus durchaus geeignet, den „wechselnden
Erfordernissen durch stürmische Zeiten gerecht“ zu werden. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang der Artikel 48 und das
Institut des Reichspräsidenten, die die wesentlichen Grundpfeiler der Regierung
Brüning darstellen.
Þ
Treviranus
kommt zu dem Schluss, dass es weniger die Mängel der Verfassung sind, die man
für die Krise der Republik verantwortlich machen kann, sondern vielmehr die
ökonomischen Probleme im Zuge der Weltwirtschaftskrise.
Þ
Der
Verfasser geht davon aus, dass die nationalsozialistische Bewegung
unterschiedliche Konzepte gibt.
Þ
Eine
revolutionäre Bedrohung durch die nationalsozialistische Bewegung betrachtet
der Verfasser nur als sehr bedingt
gegeben, obwohl „es zweifellos revolutionäre Elemente“ in der Bewegung gibt.
Treviranus sieht einen Widerspruch zwischen Hitler, der den legalen Weg per
Stimmzettel zur Machtergreifung gehen will, und den Interessen der jugendlichen
Anhänger, die den legalen Weg abkürzen wollen.
Þ
Auf
Grund dieser unterschiedlichen Orientierung sieht Treviranus eine Möglichkeit,
dass sich die Disziplin der Führung gegenüber lockert, wobei er Hitler nicht
zutraut, diese Kräfte zu binden.
Die Aufgabenstellung bezieht sich auf die Anforderungsbereiche I und –
im Rahmen der Quelleninterpretation – II.
Aufgabe 2
Im Rahmen der historischen Einordnung ist auf folgende Aspekte zu
verweisen:
Þ
Die
These von Treviranus von der „Erschütterung unserer Tage“ ist vor allem auf
zwei gravierende Ereignisse zurückzuführen. Zum einen ist hier der Tod
Stresemanns am 03.10.1929 zu nennen, zum anderen der Beginn der
Weltwirtschaftskrise mit dem „Schwarzen Freitag“ an der New Yorker Börse am
24.10.1929.
Þ
Mit
Stresemann verlor die Republik eine entscheidende politische Integrationsfigur,
so dass in der Folgezeit die latenten Spannungen und Interessengegensätze im
Parlament zum Ausbruch kamen. Als Konsequenz erfolgte Ende März 1930 der
Rücktritt der letzten Regierung, die von einer parlamentarischen Mehrheit
getragen wurde. Die Regierung Brüning,
der auch Treviranus angehörte, war eine Präsidialregierung. Hier ist die
Aussage des Verfassers, „dass der entscheidende Bruch mit der Verfassung denn
noch nicht vollzogen ist“, obwohl formalrechtlich korrekt, jedoch das
fundamentale Prinzip des demokratisch-rechtsstaatliche Systems der
Gewaltenteilung aushöhlend, kritisch zu
hinterfragen.
Þ
Der
Verlust der parlamentarischen Legitimation der Regierung bzw. der
Konsensfähigkeit in der Mitte des Parteienspektrums führte zu einer
Radikalisierung an den Flügeln, wobei insbesondere die NSDAP und die KPD in den
Mittelpunkt traten. Es entwickelte sich auf beiden Flügeln des
Parteienspektrums eine antiparlamentarische und antidemokratische
Fundamentalopposition, die gegen das „System von Weimar“ gerichtet war.
Þ
Die
Präsidialkabinette stellen einen Versuch dar, die ungeliebte Republik in ein
autoritäres Präsidialsystem umzuwandeln.
Þ
In
diesem Kontext wird Hitler von den alten konservativen Eliten zunehmend
akzeptiert und es werden schließlich mit Hilfe von Papens und eines Teils der
Großindustrie, die einen Linksruck in der deutschen Politik befürchtete, die
Weichen für eine Kanzlerschaft Hitlers gestellt.
Þ
Der
offene Bruch mit der Weimarer Verfassung wurde durch die Verabschiedung des
Ermächtigungsgesetzes am 23.03.1933 vollzogen, wobei man auch den "Preußenschlag" (=Absetzung der legitimen, kommisarischen Regierung Preußens durch Reichskanzler Franz von Papens) 1932 als ersten Staatstreich werten kann. Þ
Die
Etablierung der Herrschaft Hitlers wurde nach dem Tode Hindenburgs durch die
Übernahme des Amtes des Reichspräsidenten und den Oberbefehl über die
Reichswehr vollendet.
Die Aufgabenstellung fordert Leistungen im AFB I ( historische
Einordnung) als auch AFB II ( Reorganisation des gelernten Wissens).
Aufgabe 3
Die Aufgabe lässt folgende Aussagen erwarten:
Treviranus sah die revolutionäre
Beseitigung der Republik und den Aufbau des Führerstaats nicht voraus, konnte
es wohl auch nicht, da er wie viele konservative Politiker der Zeit der Person
Hitlers wie auch dem Charakter des Nationalsozialismus zu "naiv"
gegenüberstand. Er konnte sich die Brutalität des Terrors ebensowenig
vorstellen wie die Schwäche der alten Eliten, die diesem Terror nichts
entgegensetzen konnten. Die Bedeutung der Abkehr von der parlamentarischen
Legitimation der Regierung zum System der Präsidialkabinette wird von
Treviranus unterschätzt.
Er glaubte sicher auch, dass durch die
Einbindung Hitlers in eine konservative Regierung der nationalsozialistischen
Bewegung ihre revolutionäre und aggressive Dynamik genommen werden könnte, dass
sich die Partei dann in Flügelkämpfen zwischen den etablierten Parteiführern
und Teilen der radikalen Basis aufreiben könnte. Dass sich dieses
"Zähmungskonzept", das vor allem Papen verfolgte, als folgenschwerer
Fehler herausstellte, dürfte auch auf der irrigen Annahme beruhen, dass
zwischen Hitler und den konservativen Eliten zumindest ein minimaler
Wertekonsens vorhanden sei. Hitler war aber mittlerweile für die alten
konservativen Eliten unverzichtbar geworden, da er ihnen die emotional‑aggressive
Massenbasis bot, ohne die sie die Macht nicht übernehmen und sichern konnten
gegen die nach wie vor starken demokratischen und sozialistischen Kräfte.
Treviranus scheint dies zu übersehen, wenn er den revolutionären Charakter der
Bewegung als Gefahr für Hitlers Führungsanspruch sieht. Er unterschätzt dabei
nicht nur das taktische Geschick Hitlers, sondern auch die organisatorischen
Leistungen des Parteiapparats und die propagandistische Steuerung durch
Goebbels.
Die Aufgabenstellung bezieht sich in besonderer Weise auf
den AFB III.
Eingabe führender Männer
aus Wirtschaft und Industrie sowie großagrarischer Kreise an Reichspräsident
von Hindenburg, Mitte November 1932 Ew[1]. Exzellenz,
Hochzuverehrender Herr Reichspräsident!
Gleich Eurer Exzellenz durchdrungen von heißer Liebe zum
deutschen Volk und Vaterland, haben die Unterzeichneten die grundsätzliche
Wandlung, die Eure Exzellenz in der Führung der Staatsgeschäfte angebahnt
haben, mit Hoffnung begrüßt.
Mit Eurer Exzellenz bejahen wir die Notwendigkeit einer vom
parlamentarischen Parteiwesen unabhängigeren Regierung, wie sie in dem von
Eurer Exzellenz formulierten Gedanken eines Präsidialkabinetts zum Ausdruck
kommt.
Der Ausgang der Reichstagswahl
vom 6. November d. J. hat gezeigt, dass das derzeitige Kabinett, dessen
aufrechten Willen niemand im deutschen Volke bezweifelt, für den von ihm
eingeschlagenen Weg keine ausreichende Stütze im deutschen Volk gefunden hat,
dass aber das von Eurer Exzellenz gezeigte Ziel eine volle Mehrheit im deutschen
Volke besitzt, wenn man ‑ wie es geschehen muss ‑ von der staatsverneinenden
kommunistischen Partei absieht. Gegen das bisherige parlamentarische
Parteiregime sind nicht nur die Deutschnationale Volkspartei und die ihr
nahestehenden kleineren Gruppen, sondern auch die Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel
Eurer Exzellenz bejaht. Wir halten dieses Ergebnis für außerordentlich
erfreulich und können uns nicht vorstellen, dass die Verwirklichung des Zieles
nunmehr an der Beibehaltung einer unwirksamen Methode scheitern sollte.
Es ist klar, dass eine des öfteren wiederholte
Reichstagsauflösung mit sich häufenden, den Parteikampf immer weiter
zuspitzenden Neuwahlen nicht nur einer politischen, sondern auch jeder
wirtschaftlichen Beruhigung und Festigung entgegenwirken muss. Es ist aber auch
klar, dass jede Verfassungsänderung, die nicht von breitester Volksströmung
getragen ist, noch schlimmere wirtschaftliche, politische und seelische
Wirkungen auslösen wird.
Wir erachten es deshalb für unsere Gewissenspflicht, Eure
Exzellenz ehrerbietigst zu bitten, dass zur Erreichung des von uns allen
unterstützten Zieles Eurer Exzellenz die Umgestaltung des Reichskabinetts in
einer Weise erfolgen möge, die die größtmögliche Volkskraft hinter das Kabinett
bringt. Wir bekennen uns frei von jeder engen parteipolitischen Einstellung.
Wir erkennen in der nationalen Bewegung, die durch unser Volk geht, den
verheißungsvollen Beginn einer Zeit , die durch Überwindung des
Klassengegensatzes die unerlässliche Grundlage für einen Wiederaufstieg der
deutschen Wirtschaft erst schafft. Wir wissen, dass dieser Aufstieg noch viele
Opfer erfordert. Wir glauben, dass diese Opfer nur dann willig gebracht werden,
wenn die größte Gruppe dieser nationalen Bewegung führend an der Regierung
beteiligt wird.
Die Übertragung der verantwortlichen Leitung eines mit den
besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts an
den Führer der größten nationalen Gruppe wird die Schlacken und Fehler, die
jeder Massenbewegung notgedrungen anhaften, ausmerzen und Millionen Menschen,
die heute abseits stehen, zu bejahender Kraft mitreißen.
In vollem Vertrauen zu Eurer Exzellenz Weisheit und Eurer
Exzellenz Gefühl der Volksverbundenheit begrüßen wir Euer Exzellenz mit größter
Ehrerbietung.
Es folgen die Unterschriften von
G. Beindorff, K. v. Eichborn, E. Helfferich, E. Hecker, Graf
Kalckreuth, C.V. Krogmann, E. Lübbert, E. Merck, H.K. v. Oppen-Dannenwalde, F.
Reinhart, A. Rosterg, Hj. Schacht[2], K. v. Schröder[3], R. Ventzki, K. Woermann
und F.H. Witthoeft
Veröffentlicht in: Albert Schreiner: „Die Eingabe deutscher Finanzmagnaten,
Monopolisten und Junker an Hindenburg für die Berufung Hitlers zum
Reichskanzler (November 1932)“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 4 (1956),
S. 366–369.
Arbeitsaufträge:
1.
Arbeiten Sie die
Grundgedanken des Textes heraus!
2.
Ordnen Sie die Quelle
in ihren historischen Kontext ein!
3. Erörtern
Sie, welche Faktoren für die Machtübergabe an Hitler eine Rolle gespielt haben
und beurteilen Sie insbesondere die Rolle Hindenburgs
Aus der Rede (1) des britischen Premierministers Chamberlain am 17.03.1939 in Birmingham:
Als ich von meinem zweiten Besuch (2) zurückkam, berichtete ich dem Unterhaus von einer Unterredung mit Herrn Hitler, in der er, mit großem Ernst sprechend, wiederholte, was er schon in Berchtesgaden (3) gesagt hatte, nämlich, daß dies der letzte seiner territorialen Ansprüche in Europa sei und daß er nicht wünsche, in das Deutsche Reich Angehörige nichtdeutscher Rassen einzubeziehen. Und ferner steht in dem von Herrn Hitler mitunterzeichneten Münchener Abkommen die Klausel: „Die endgültige Bestimmung der Grenzen wird von einer internationalen Kommission durchgeführt werden” - die endgültige Bestimmung. Und schließlich erklärten wir in der gemeinsam in München unterschriebenen Deklaration, daß jede weitere unsere beiden Länder betreffende Frage auf dem Wege der Besprechungen gelöst werden solle... . . . Der gestern in Prag erlassenen Proklamation zufolge sind Böhmen und Mähren dem Deutschen Reich angeschlossen worden. Nichtdeutsche Einwohner, zu denen natürlich die Tschechen gehören, werden dem deutschen Protektor im Deutschen Protektorat unterstellt. Sie haben sich den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Reiches zu unterwerfen. Sie werden Staaten mit Selbstverwaltung genannt, aber das Reich übernimmt ihre Außenpolitik, ihre Zölle und Akzisen (4), ihre Bankreserven und die Ausrüstung der entwaffneten tschechischen Armee. Und vielleicht das Unheimlichste: Wir hören wieder vom Auftauchen der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei, und von der gewohnten Geschichte der Massenverhaftungen prominenter Persönlichkeiten mit den Folgen, die uns allen vertraut sind. Deutschland hat der Welt unter seinem jetzigen Regime eine Serie von unangenehmen Überraschungen bereitet. Das Rheinland, der Anschluß Österreichs, die Lostrennung des Sudetengebietes - alle diese Dinge erregten und empörten die öffentliche Meinung der ganzen Welt. Jedoch, soviel wir auch einwenden mögen gegen die Methoden, die in jedem einzelnen dieser Fälle angewandt wurden, etwas ließ sich doch sagen – entweder wegen der rassenmäßigen Zugehörigkeit oder wegen allzulang mißachteter gerechter Ansprüche - etwas ließ sich doch sagen zugunsten der Notwendigkeit einer Änderung der vorhandenen Lage. Aber die Dinge, die sich diese Woche unter völliger Mißachtung der von der deutschen Regierung selbst aufgestellten Grundsätze ereignet haben, scheinen zu einer andern Kategorie zu gehören, und sie müssen uns allen die Frage nahelegen: „Ist dies das Ende eines alten Abenteuers oder ist es der Anfang eines neuen?” „Ist dies der letzte Angriff auf einen kleinen Staat, oder sollen ihm noch weitere folgen? Ist dies sogar ein Schritt in der Richtung auf den Versuch, die Welt durch Gewalt zu beherrschen?” Das sind schwere und ernste Fragen. . . Und es scheint in der Tat, mit den Lehren der Geschichte vor aller Augen, unglaublich, es eine solche Herausforderung geben könne. Ich fühle mich verpflichtet, zu wiederholen, daß ich zwar nicht bereit bin, unser Land durch neue, nicht spezifizierte und unter nicht voraussehbaren Bedingungen funktionierende Verpflichtungen zu binden, daß aber kein größerer Fehler begangen werden könnte als der, zu glauben, unsere Nation habe, weil sie den Krieg für eine sinnlose und grausame Sache hält, so sehr ihr Mark verloren, daß sie nicht bis zur Erschöpfung ihrer Kraft einer solchen Herausforderung entgegentreten werde, sollte sie jemals erfolgen. Für diese Erklärung habe ich - davon ich überzeugt - nicht nur die Unterstützung, die Sympathie und das Vertrauen meiner Bürger und Mitbürgerinnen, sondern ich werde auch die Zustimmung des gesamten britischen Weltreiches und aller andern Nationen haben, die zwar den Frieden hoch schätzen, aber die Freiheit noch höher.
In: Geschichte in Quellen, Bd. V, Weltkriege und Revolutionen 1914 — 1945, München 1970 2.Aufl.. S. 421ff.
Arbeitsaufträge: Interpretieren Sie den vorliegenden Text, indem Sie 1. den Text analysieren und die Position Chamberlains gegenüber Deutschland charakterisieren, 2. die Rede in ihren historischen Kontext einordnen, 3. die Möglichkeiten und Chancen der britischen Außenpolitik diskutieren, den Frieden in Europa zu bewahren.
1)Die Rede wurde am 18.03.1939 in der "Times" veröffentlicht. 2) Zweites Treffen 22.09. bis 24.09.1938 3) Erstes Treffen 15.09.1938 4) Die Akzise oder Accise (lat./frz.) war eine indirekte Steuer, in der Regel eine Verbrauchssteuer beziehungsweise ein Binnenzoll. Akzisen wurden auf Grundnahrungsmittel (zum Beispiel Roggen, Weizen, Hopfen oder anderes Getreide beziehungsweise Mehl), auf Lebensmittel (Zucker, Salz, Fett, Fleisch), Genussmittel (Tabak, Kaffee, Tee, Bier, Sekt), auf Vieh oder auf den sonstigen Verbrauch erhoben.
Ein möglicher Erwartungshorizont für diese Klausur ist hier downzuloaden:
Konvention von Tauroggen
1812: General Yorck verpflichtet sich aus eigener Verantwortung zur Neutralität
gegenüber
Russland und damit gibt es eine
„Koalition“ Preußens und Russlands gegen Frankreich
Ein knapper Erwartungshorizont für diese Klausur könnte so aussehen (für Ergänzungen oder konstruktive Kritik wäre ich dankbar) :-)
-->
Kernaussagen des Textes sind:
Ø Der deutsch‑sowjetische Nichtangriffspakt habe die
Argumentation Englands und Frankreichs entkräftet, die von einer drohenden
Kriegsgefahr durch Deutschland ausgingen und es einzukreisen versuchten;
Ø Der Paktabschluß sei der Beweis für eine Friedenssicherung
im deutschen Sinne und Antwort auf die Behauptung der Westmächte;
Ø Der deutsch‑sowjetische Nichtangriffspakt sei die
Fortsetzung der bereits im 19. Jahrhundert begonnenen deutschrussischen
Zusammenarbeit;
Ø Beweise dafür seien der Rapallo‑Vertrag von 1922, der
Berliner Vertrag von 1926, die Konvention von Tauroggen 1812, Zusammenwirken
während der Befreiungkriege gegen Napoleon und der Rückversicherungsvertrag
unter Bismarck.
Wegen der
ideologischen Gegnerschaft der beiden Vertragspartner war das Volk irritiert,
als es zu einem Abschluß kam. Deswegen war die nationalsozialistische Führung
bestrebt, einer etwaigen Verunsicherung im Volk propagandistisch
entgegenzuwirken.
Deshalb versucht auch
der Autor des Artikels, die Interpretation des Ereignisses in eine bestimmte
Richtung zu lenken:
Ø Übereinkunft stehe in der Tradition einer langen
Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland bereits in der Vergangenheit;
Ø Zustandekommen des Vertrages dokumentiere die Überlegenheit
der deutschen Außenpolitik;
Ø weltanschauliche Fragen werden bewußt ausgeklammert.
Darstellung
der politischen Lage (historischer Kontext) in Europa seit 1938 bis zum 25. 8. 1939
(Erscheinungsdatum
des Artikels). Nach der Münchner Konferenz (29. 9. 1938) sah sich Hitler zu
einer weiteren Expansion in Ostmitteleuropa ermutigt, weil er die
Zugeständnisse der Westmächte als deren Schwäche interpretierte. Während er in
einer geheimen Dienstbesprechung mit hohen Militärs schon 1937 (vgl. „HoßbachNiederschrift")
einen genauen Eroberungsplan zur Gewinnung von „Lebensraum" entwarf, ließ
er sich noch in der Öffentlichkeit als friedlicher Revisionspolitiker feiern.
Deswegen kam der nächste Schritt Hitlers auf dem Weg zum „Großdeutschen
Reich", nämlich die „Zerschlagung der Rest‑Tschechei", relativ
überraschend. Am 15.3. 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht unter Bruch des
Münchner Abkommens in die Tschechoslowakei ein. Der tschechische Teil des
Landes wurde in das „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren" umgewandelt und
praktisch ins Deutsche Reich eingegliedert. Die Slowakei brachte man in ein
satellitenähnliches Verhältnis zu Deutschland. Am 23.3. 1939 besetzten deutsche
Truppen das Memelgebiet. Um dem nun offenen Übergang Hitlers zu einer
aggressiven Kriegsvorbereitung zu begegnen, gab England Ende März 1939
gegenüber Polen eine Beistandsgarantie ab. Hitler forderte die Rückkehr Danzigs
ins Reich und kündigte den Nichtangriffspakt mit Polen und das Flottenabkommen
mit England. Die beiden „Todfeinde" Hitler und Stalin traten trotz des
ideologischen Gegensatzes in Verhandlungen ein und sorgten mit dem Abschluß
eines deutsch‑sowjetischen Nichtangriffspaktes am 23. B. 1939 für eine
außenpolitische Sensation.
Bedeutung des
deutsch‑sowjetischen Nichtangriffspaktes
Die Bedeutung des
deutsch‑sowjetischen Nichtangriffspaktes für die beiden Vertragspartner ergab
sich aus den jeweils angestrebten außenpolitischen Zielen und den erhofften
Vorteilen.
Im geheimen
Zusatzprotokoll nahmen Deutschland und die Sowjetunion die Abgrenzung ihrer
Interessenssphären in Osteuropa vor.
Hitler erhoffte sich
damit,
‑ die Sowjetunion als
möglichen Verbündeten der Westmächte auszuschalten, wenn es zum geplanten
Überfall auf Polen kommen sollte,
‑ und den Rücken im
Osten für geplante kriegerische Aktionen im Westen frei zu haben.
Stalin glaubte,
‑ gegen das expansive
Deutschland abgesichert zu sein, ‑ sich zunächst aus dem Krieg heraushalten zu
können, ‑verfolgte eigene Expansionspläne, z. B. in Polen, und sah in
Deutschland einen nützlicheren Bündnispartner als in England, das im
Beistandspakt für Polen garantierte.
‑ Gleichzeitig
begegnete Stalin mit dem Pakt einer drohenden außenpolitischen Isolierung der
Sowjetunion.
Beide, Stalin und
Hitler, profitierten also, weil für beide in Aussicht stand, Zeit und
Territorium zu gewinnen.
Es bliebe noch
festzuhalten, daß der SU in dieser Lage eine Schlüsselrolle für die Rettung des
Friedens zukam; denn wäre es zu einem sowjetisch‑englischen Pakt gekommen,
hätte sich Hitler einem drohenden Zweifrontenkrieg gegenüber gesehen, dessen Fatalität
ihm aus dem 1. Weltkrieg noch in Erinnerung gewesen war.
Eine zweite Klausur zum Thema "NS-Außenpolitik"
Auszug
aus einem Artikel der „Hoyerswerdaer Nachrichten" vom 25. 08.1939
Deutsche Realpolitik formt das europäische Schicksal
Den
englischen und französischen Einkreisungspolitikern sind an einem Tage
sämtliche Trümpfe aus ihren Karten gefallen, denn die Bedeutung des
deutschsowjetrussischen Nichtangriffspaktes hat den Ministern der
demokratischen Staaten erneut einen Begriff von der gradlinigen und
zielsicheren Politik Adolf Hitlers verschafft.
Katastrophal
ist der Rückschlag zu nennen, den London und Paris erlitten haben. Noch
unangenehmer aber wird für die Einkreiser die Tatsache des Paktabschlusses
dadurch, daß Englands Absichten, über die Verbreitung neuer Lügen von einer
angeblichen deutschen Kriegsschuld aus dem Jahre 1914, nun auch ins Wasser
fallen. In dieser unvorstellbaren Hilflosigkeit faselten die verantwortlichen
demokratischen Staatsmänner wider besseres Wissen von einer drohenden
Kriegsgefahr durch Deutschland. Nun haben sie überraschend die deutsche Antwort
erhalten, die an Realistik für eine Friedenssicherung im deutschen Sinne nicht
mehr zu übertreffen ist. Deutschland hat wieder einen Gefahrenherd beseitigt
und damit der ganzen Welt bewiesen, daß niemals die deutsche, sondern die
englische Politik zu Misstrauen Anlaß gibt, und daß auch die neutralen Staaten
Europas britische Hilfe keineswegs nötig haben, denn von Großdeutschland
erwartet sie Sicherheit. (...)
Der
Abschluß des Nichtangriffspaktes zwischen Deutschland und Sowjetrußland hat
außerdem eine kaum zu übertreffende geschichtliche Bedeutung, denn der gestern
in Moskau formulierte Vertrag bildet eigentlich eine Fortsetzung der im ganzen
19.
Jahrhundert vorhanden gewesenen deutsch‑russischen Zusammenarbeit. Die
Verbindung zwischen beiden Ländern war trotz der Nachkriegsverhältnisse nie ganz
abgebrochen, es erfolgte ein ständiger Warenaustausch, ohne daß der alte
Handelsvertrag eine volle Auswirkung erfuhr.
Nach
dem Weltkrieg konnte schon im Jahre 1922 der Rapallo‑Vertrag und 1926 das
Abkommen über gegenseitige Neutralität fixiert werden. Bereits das Abkommen
zwischen dem preußischen General York und General Diebitsch zu Tauroggen[1] im Jahre 1812, die
Waffenbrüderschaft mit Rußland während der Befreiungskriege, die Völkerschlacht
bei Leipzig und der Einmarsch 1814 in Paris zeugen von früherer deutsch‑russischer
Verständigung. Die politische Erkenntnis des Altreichskanzlers so Bismarck in
der gleichen Richtung, sein Werk ‑ der geheime Rückversicherungsvertrag
zwischen Rußland und Deutschland ‑ ist nun mehr durch den Führer des
nationalsozialistischen Deutschland fortgesetzt worden, nachdem der „Draht nach
Rußland" mit dem Sturz Bismarcks zerschnitten und nicht mehr erneuert
wurde.
Aus: Hoyerswerdaer
Nachrichten vom 25. 08. 1939, Nr. 100, 42. Jahrgang, Titelseite, Stadtarchiv
Hoyerswerda Arbeitsaufträge:
1.
Arbeiten Sie die wesentlichen Aussagen der
Quelle heraus und erläutern Sie die Absicht des Autors ! 2.
Stellen Sie die Entwicklung der politischen Lage
in Europa dar und gehen Sie insbesondere auf den Hitler-Stalin-Pakt ein ! 3.
Erörtern Sie die Bedeutung des Hitler-Stalin-Paktes
für den Verlauf des II. Weltkrieges ! [1] Konvention von Tauroggen
1812: General Yorck verpflichtet sich aus eigener Verantwortung zur Neutralität
gegenüber
Russland und damit gibt es eine
„Koalition“ Preußens und Russlands gegen Frankreich
Ein optionaler Erwartungshorizont für diese Klausur könnte so aussehen:
Kernaussagen des Textes sind:
Ø Der deutsch‑sowjetische Nichtangriffspakt habe die
Argumentation Englands und Frankreichs entkräftet, die von einer drohenden
Kriegsgefahr durch Deutschland ausgingen und es einzukreisen versuchten;
Ø Der Paktabschluß sei der Beweis für eine Friedenssicherung
im deutschen Sinne und Antwort auf die Behauptung der Westmächte;
Ø Der deutsch‑sowjetische Nichtangriffspakt sei die
Fortsetzung der bereits im 19. Jahrhundert begonnenen deutschrussischen
Zusammenarbeit;
Ø Beweise dafür seien der Rapallo‑Vertrag von 1922, der
Berliner Vertrag von 1926, die Konvention von Tauroggen 1812, Zusammenwirken
während der Befreiungkriege gegen Napoleon und der Rückversicherungsvertrag
unter Bismarck.
Wegen der
ideologischen Gegnerschaft der beiden Vertragspartner war das Volk irritiert,
als es zu einem Abschluß kam. Deswegen war die nationalsozialistische Führung
bestrebt, einer etwaigen Verunsicherung im Volk propagandistisch
entgegenzuwirken.
Deshalb versucht auch
der Autor des Artikels, die Interpretation des Ereignisses in eine bestimmte
Richtung zu lenken:
Ø Übereinkunft stehe in der Tradition einer langen
Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland bereits in der Vergangenheit;
Ø Zustandekommen des Vertrages dokumentiere die Überlegenheit
der deutschen Außenpolitik;
Ø weltanschauliche Fragen werden bewußt ausgeklammert.
Darstellung
der politischen Lage in Europa seit März 1939 bis zum 25. B. 1939
(Erscheinungsdatum
des Artikels). Nach der Münchner Konferenz (29. 9. 1938) sah sich Hitler zu
einer weiteren Expansion in Ostmitteleuropa ermutigt, weil er die
Zugeständnisse der Westmächte als deren Schwäche interpretierte. Während er in
einer geheimen Dienstbesprechung mit hohen Militärs schon 1937 (vgl. „HoßbachNiederschrift")
einen genauen Eroberungsplan zur Gewinnung von „Lebensraum" entwarf, ließ
er sich noch in der Öffentlichkeit als friedlicher Revisionspolitiker feiern.
Deswegen kam der nächste Schritt Hitlers auf dem Weg zum „Großdeutschen
Reich", nämlich die „Zerschlagung der Rest‑Tschechei", relativ
überraschend. Am 15.3. 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht unter Bruch des
Münchner Abkommens in die Tschechoslowakei ein. Der tschechische Teil des
Landes wurde in das „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren" umgewandelt und
praktisch ins Deutsche Reich eingegliedert. Die Slowakei brachte man in ein
satellitenähnliches Verhältnis zu Deutschland. Am 23.3. 1939 besetzten deutsche
Truppen das Memelgebiet. Um dem nun offenen Übergang Hitlers zu einer
aggressiven Kriegsvorbereitung zu begegnen, gab England Ende März 1939
gegenüber Polen eine Beistandsgarantie ab. Hitler forderte die Rückkehr Danzigs
ins Reich und kündigte den Nichtangriffspakt mit Polen und das Flottenabkommen
mit England. Die beiden „Todfeinde" Hitler und Stalin traten trotz des
ideologischen Gegensatzes in Verhandlungen ein und sorgten mit dem Abschluß
eines deutsch‑sowjetischen Nichtangriffspaktes am 23. B. 1939 für eine
außenpolitische Sensation.
Bedeutung des
deutsch‑sowjetischen Nichtangriffspaktes
Die Bedeutung des
deutsch‑sowjetischen Nichtangriffspaktes für die beiden Vertragspartner ergab
sich aus den jeweils angestrebten außenpolitischen Zielen und den erhofften
Vorteilen.
Im geheimen
Zusatzprotokoll nahmen Deutschland und die Sowjetunion die Abgrenzung ihrer
Interessenssphären in Osteuropa vor.
Hitler erhoffte sich
damit,
‑ die Sowjetunion als
möglichen Verbündeten der Westmächte auszuschalten, wenn es zum geplanten
Überfall auf Polen kommen sollte,
‑ und den Rücken im
Osten für geplante kriegerische Aktionen im Westen frei zu haben.
Stalin glaubte,
‑ gegen das expansive
Deutschland abgesichert zu sein, ‑ sich zunächst aus dem Krieg heraushalten zu
können, ‑verfolgte eigene Expansionspläne, z. B. in Polen, und sah in
Deutschland einen nützlicheren Bündnispartner als in England, das im
Beistandspakt für Polen garantierte.
‑ Gleichzeitig
begegnete Stalin mit dem Pakt einer drohenden außenpolitischen Isolierung der
Sowjetunion.
Beide, Stalin und
Hitler, profitierten also, weil für beide in Aussicht stand, Zeit und
Territorium zu gewinnen.
Es bliebe noch
festzuhalten, daß der SU in dieser Lage eine Schlüsselrolle für die Rettung des
Friedens zukam; denn wäre es zu einem sowjetisch‑englischen Pakt gekommen,
hätte sich Hitler einem drohenden Zweifrontenkrieg gegenüber gesehen, dessen Fatalität
ihm aus dem 1. Weltkrieg womöglich noch in Erinnerung gewesen wäre.
Zum Thema "Antisemitismus und Alltag" im NS eine Klausur mit (optionalem Erwartungshorizont) :
Eine Klausur mit dem Schwerpunkt "Widerstand" gegen NS:
Aus den Überlegungen der Widerstandsgruppe um von Hassel
und Goerdeler zu einem Regierungsprogramm für das "Nach‑Hitler‑Deutschland"
(Januar/Februar 1940)
1. Die Deutsche Regierung ist entschlossen, den Krieg, in
den Europa unglücklicherweise gestürzt worden ist, mit aller Kraft
weiterzuführen, bis ein Friede gesichert ist, der den Bestand, die
Unabhängigkeit, die Lebensbetätigung und die Sicherheit des Deutschen Reichs
und Volks gewährleistet und gegenüber Polen im wesentlichen die alte
Reichsgrenze wiederherstellt. (. . . )
3. Die Deutsche
Regierung überläßt der Geschichte das Urteil über die Grundsätze und Leistungen
des Nationalsozialismus. Sie erkennt die gesunden und vorwärts führenden
Gedanken an, die in ihm enthalten waren. Leider hat die bisherige deutsche Regierung im klaren Widerspruch
zu ihnen seit längerer Zeit begonnen, eine Politik zu treiben, welche die Seele
des deutschen Volkes zu töten und seinen
wirtschaftlichen Wohlstand zu untergraben geeignet war.
4. Eine unerträgliche
Parteiherrschaft in Gestalt eines den eigenen Nutzen suchenden Bonzentums wurde
aufgerichtet und legte sich wie ein enges Netz über das ganze Volk.
Jede freie Meinungsäußerung auch auf unpolitischen Gebieten
wurde zum Verbrechen gestempelt, alles freie Sichregen der Geister unterbunden.
Ein unerhörtes Maß der Bespitzelung und Verleumdung wurde zur Regel. Die
Rechtsprechung vor allem in Strafsachen wurde immer mehr Parteigesichtspunkten
untergeordnet. Das Verfahren der Gestapo verletzte die elementarsten Grundsätze
der Sittlichkeit und vernichtete die menschliche Persönlichkeit. Schwere
Verletzungen von Recht und Gesetz, Angriffe auf Leib und Leben oder die
Freiheit untadeliger Menschen bleiben straflos, ja wurden von oben ermuntert.
(...)
Gerade neuerdings geschahen im Zusammenhang mit dem Kriege,
von der höchsten Stelle geduldet, Dinge, die in der deutschen Geschichte
unerhört sind. In das gleiche Kapitel gehören die von Partei wegen gegen die
Juden straflos begangenen fürchterlichen Greuel. (...)
7.
Zu alledem trat seit Beginn des Jahres
1938 eine Außenpolitik, die einen immer
abenteuerlicheren Charakter annahm. Dem Volke wurde
weisgemacht, daß ein Nichtachten aller Grundsätze und Bindungen
"Realpolitik" sei. Durch Mangel an politischer Weisheit auf seiten
aller Beteiligten kam es schließlich zum Kriege, der nach 20 Jahren mühevollen
Wiederaufbaus die unmittelbare Gefahr heraufbeschwört, daß die höchsten
europäischen Werte zum Vorteil des Bolschewismus zerstört werden. Die deutsche
Regierung gibt die Hoffnung nicht auf, daß auch die Gegner Deutschlands die
Notwendigkeit erkennen werden, nunmehr auf den oben angeführten Grundlagen zum
Frieden zu kommen und der Welt die Möglichkeit zu geben, zu einem Zustand der
Gesundheit und der Befriedigung zu kommen, aufgebaut auf dem Willen aller
Nationen, in Treu und Glauben bei möglichst her abgeminderter Rüstung durch
den Austausch geistiger und wirtschaftlicher Güter gemeint ist die deutsche
Regierung nach dem Sturz Hitlers eine Gemeinschaft der Völker zu bilden. Es war
der Widersinn der Pariser Verträge nach dem Weltkriege, der die tiefste
Ursache alles Unglücks bildet, das jetzt über die Welt
gekommen ist. Sollten sich Deutschlands Gegner dieser Erkenntnis versagen, so
wird die Deutsche Regierung daraus ohne Zögern die Folgen ziehen und den Krieg
bis zum Äußersten weiterführen.
(zitiert
nach U. Cartarius (Hrsg.): Opposition gegen Hitler, Deutscher Widerstand 1933-
1945, Berlin 1984, S. 155f.)
Arbeitsaufgaben:
1.
Arbeiten Sie die wesentlichen
Grundgedanken aus dem Text heraus und bestimmen Sie die grundsätzliche Position
gegenüber dem Nationalsozialismus !
2.
Untersuchen Sie insbesondere im Rahmen
einer historischen Einordnung, ob die Einschätzung, dass die
nationalsozialistische Außenpolitik
„seit Beginn des Jahres 1938 ... einen abenteuerlichen Charakter
annahm“, zutreffend ist.
3.
Diskutieren Sie auf dem
Hintergrund Ihrer Arbeitsergebnisse das
politische Selbstverständnis dieser Widerstandsgruppe !
Ein möglicher Erwartungshorizont zu dieser Klausur könnte so aussehen:
Aufgabe 1
In der Aufgabe 1 sollen
die Schüler/innen in einem ersten Schritt im Rahmen einer Textanalyse die
äußeren Merkmale der Quelle bestimmen. Neben der Quellenart ( > geheim >
Vorüberlegungen eines Regierungsprogramms > schon weitgehende Planungen)
sind die Autoren auf der Grundlage historischer Kenntnisse als Mitglieder der
Widerstandsgruppe vom 20.Juli 1944 zu charakterisieren.
In einem weiteren
Schritt erfolgt dann eine kurze Textwiedergabe, die die wesentlichen Gedanken
der Quelle zusammenfassen soll.
Hier sind folgende
Aussagen als wesentlich einzustufen:
Þ Der Krieg soll – auch nach der
Machtübernahme – weitergeführt werden bis ein Friede gewährleistet werden kann,
der den Status quo sichert.
Þ Die Verfasser erkennen den
Nationalsozialismus prinzipiell als positiv an ( Z. 10ff.), kritisieren jedoch
das „Bonzentum“ (Parteiherrschaft), den Verfall der Justiz und die
Menschenrechtsverletzungen.
Þ Es wird ab 1938 ein Wandel der
Außenpolitik konstatiert, den die Autoren als „abenteuerlich“ charakterisieren.
Dieser Wandel in Verbindung mit dem „Mangel an Weisheit aller Beteiligten“ wird
als Ursache für den Krieg herausgestellt.
Þ Es wird eine „Gemeinschaft der
Völker“ angestrebt, die auf einem freien Austausch „geistiger und
wirtschaftlicher Güter“ basiert.
Þ Als wesentliche Ursache des gegenwärtigen
Unglücks werden die Pariser Verträge ( in engerem Sinne die Beschlüsse der
Ententekonferenzen 1921 über die Reparationsleistungen , in weiterem Sinne auch
Versailler Verträge ) hervorgehoben, die sich auf keinen Fall wiederholen
sollen.
Þ Die politische Position der
Verfasser ist als nationalkonservativ zu bezeichnen, worauf insbesondere auch
die Formulierung, „ dass die höchsten europäischen Werte zum Vorteil des
Bolschewismus zerstört werden“, hindeutet.
Die Aufgabenstellung
bezieht sich auf die Anforderungsbereiche I und – im Rahmen der
Quelleninterpretation – II.
Aufgabe 2
Im Rahmen der
historischen Einordnung ist vor allem auf folgende Aspekte zu verweisen:
Die wesentlichen
außenpolitischen Ereignisse von 1938 bis 1939 waren:
Þ Der „Anschluß“ Österreichs 12.3.1938
Þ Die Sudetenkrise und das Münchner
Abkommen 29./30.09.1938
Þ Annexion der Resttschechei
15.03.1939
Þ Der Hitler-Stalin-Pakt 23.08.1939
Þ Konflikt mit Polen Frühjahr bis
01.09.1939, Kriegsausbruch
Auch schon im Vorfeld
sind die außenpolitischen Maßnahmen kritisch zu hinterfragen.
Hier sind u.a. die
Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 ( Bruch des Versailler
Vertrages ), der Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland 1936 und das
deutsch-englische Flottenabkommen 1936 zu nennen. In diesem Zusammenhang ist als Rahmenbedingung der deutschen
Außenpolitik die Appeasement-Politik Großbritanniens herauszuheben.
Bis 1938 kann die
deutsche Außenpolitik als Revisionspolitik
bezeichnet werden, die von breiten Teilen der Gesellschaft – insbesondere
auf nationalkonservativer Seite - unterstützt wurde. Einen qualitativen Wandel
stellt wohl die Sudentenkrise dar. Die Politik Hitlers ist spätestens ab 1936
auf einen kommenden Krieg ausgerichtet. Von daher sind die außenpolitischen Maßnahmen ab 1938 mit
einem höheren Kriegsrisiko behaftet, so dass der Schluß der Verfasser, dass die
Außenpolitik „seit Beginn des Jahres 1938 ... einen abenteuerlichen Charakter
annahm“, sich insbesondere in bezug auf das Vorgehen Hitlers als
nachvollziehbar erweist.
Aufgabe 3
Die
Aufgabe lässt folgende Aussagen erwarten:
Die
Widerstandsgruppe vom 20.Juli 1944 ist eindeutig dem nationalkonservativen
Widerstand
zuzuordnen. Hier ergaben sich spezifische Problemlagen, da die Gruppe dem
Nationalsozialismus
durchaus Sympathien entgegenbrachte, jedoch der konkreten
Herrschaftspraxis
zunehmend kritisch entgegenstand. Weiterhin kann angemerkt werden,
dass gerade die
nationalkonservative Gesinnung die Widerständler in ein moralisches Dilemma
brachte, da sie gegenüber dem Staat und auch Hitler ( Eid ) eine besondere
Verpflichtung fühlten.
In der Nachkriegszeit
wurde der Widerstand im Dritten Reich in besonderer Weise mit der Gruppe vom
20.Juli 1944 identifiziert, während andere politische Gruppierungen erst später
wahrgenommen wurden. Diese Orientierung muss angesichts der politischen
Vorstellungen kritisch hinterfragt werden.